Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

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Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Kurzbeschreibung der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie

Die Begriffe Tiefenpsychologie oder tiefenpsychologisch fundiert werden häufig gleichbedeutend mit dem Begriff Psychoanalyse verwendet. Dabei bestehen zwischen einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und einer klassischen Psychoanalyse beachtliche Unterschiede. Gemeinsam ist den beiden Therapieverfahren der von S. Freud entwickelte theoretische Hintergrund. Unterschiedlich sind jedoch die Form, Dauer und das Ziel der Behandlung.

Der gemeinsame theoretische Hintergrund enthält die nachfolgend aufgeführten wesentlichen theoretischen Elemente:

Die Psychoanalyse geht davon aus, daß es neben dem Bewußtsein, d. h. dem durch bewußte Anstrengungen zugänglichen Teil unserer Psyche auch Teile gibt, die unbewußt sind, die aber dennoch wirksam sind und unser inneres Erleben und unser äußeres Handeln beeinflussen. Die therapeutische Behandlung zielt darauf ab, einen Teil dieses Unbewußten bewußt zu machen.

Die Übertragungs- und Gegenübertragungsbeziehung

Als Übertragung wird das Erleben von Emotionen, Einstellungen, Verhalten, Phantasien und die Abwehr gegenüber einer Person in der Gegenwart bezeichnet, die eine Wiederholung von Reaktionen sind, welche ihren Ursprung in der Beziehung zu wichtigen Bezugspersonen der frühen Kindheit haben und unbewußt auf Personen der Gegenwart verschoben werden, d. h. nicht zu dieser Person gehören.

Jeder Mensch hat eine bestimmte Art und Weise der Kontaktaufnahme zu anderen Menschen. Auch die Bewertung  anderer Menschen ist typisch für jeden Menschen. Wir entwickeln in unserer Kindheit “Beziehungsmuster” durch die Auseinandersetzung mit unseren Eltern und/oder anderen wichtigen Bezugspersonen und neigen dazu, Beziehungen, die wir in unserem späteren Leben zu weiteren Menschen aufnehmen, nach den gleichen Mustern zu organisieren. Auch die Beziehung zu Psychotherapeuten wird unbewusst so gestaltet, wie wir es schon immer gemacht haben. In der Therapie wird versucht, diese Muster zu erkennen und bewusst zu machen, um eine größere Variationsbreite des Verhaltens zu ermöglichen und zu verhindern, dass man immer wieder die gleichen Fehler macht. In der Psychoanalyse ist die Übertragung das wichtigste Mittel der Behandlung. In der tiefenpsychologisch fundierten Therapie wird sie beachtet und womöglich genutzt, ist aber nicht das einzige, meist nicht mal das wichtigste Mittel der Behandlung.

Zweizeitige Entwicklung der Störung : Ein bestimmtes Verhaltensmuster, das in der Kindheit entwickelt wird, macht zu diesem Zeitpunkt Sinn und wird ins Verhaltensmuster einer Person aufgenommen. Mit diesem Verhalten kommt der Mensch recht gut durchs Leben bis er auf eine Situation trifft, wo er dieses Verhalten zwar wieder anwendet, es aber unpassend ist und deshalb Schwierigkeiten verursacht. Aufgrund von bestimmten psychischen Gesetzmäßigkeiten kann es aber nicht so ohne weiteres abgelegt werden und es kommt plötzlich oder allmählich zur Entwicklung von Krankheitssymptomen, weil das angestrebte Ziel des Verhaltens nicht erreicht werden kann. Die Wurzel des Verhaltensmusters liegt also in der Kindheit, der krankmachende Effekt hingegen in der Gegenwart. Die Therapie zielt darauf ab, diesen Zusammenhang bewusst zu machen, damit ein besser passendes Verhalten entwickelt werden kann.

Ziel einer klassischen Psychoanalyse ist die Behandlung und Veränderung der gesamten Persönlichkeit. Entsprechend lang ist die Behandlungsdauer (oft mehrere Jahre) und entsprechend hoch die Behandlungsfrequenz (oft mehrere Therapiesitzungen in der Woche). Während der Behandlung liegt der Analysand auf einer Couch statt und der Psychoanalytiker sitzt hinter ihm, so daß kein Sichtkontakt möglich ist.

Ziel einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist die Bearbeitung umschriebener Konflikte wie z. B. bei einer Depression, Angst- oder Zwangsstörung. Dementsprechend kürzer ist die Behandlungsdauer ( 0,5 bis 1,5 Jahre) mit einer Sitzung pro Woche. Während der Behandlung sitzen der Patient und Therapeut sich gegenüber.

Der Begriff tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie wird auch in den Vorschriften und Richtlinien der Krankenversicherungen, der Ärztekammern und der Kassenärztlichen Vereinigungen benutzt. Diese Institutionen haben ein Regelwerk dafür ausgearbeitet, in dem festgelegt ist, wer diese Therapieform ausüben darf, wer sie als Ausbildung anbieten kann, wie viele Stunden unter welchen Bedingungen höchstens von der Krankenkasse bezahlt werden usw. usf.. Für andere, möglicherweise durchaus auch wirksame und seriöse Psychotherapieverfahren gibt es nicht so viele Vorschriften und Kontrollen, weshalb die Situation für den Patienten/die Klientin dann unübersichtlicher ist. Zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht einmal an dieser Stelle mehr oder vielleicht finde ich auch Links dazu.

Obwohl also eigentlich nur von der Psychoanalyse abgeleitete Therapieverfahren die Bezeichnung tiefenpsychologisch beanspruchen können, versuchen auch etliche andere Therapierichtungen dieses Etikett für sich geltend zu machen, wie z. B. die Gestalttherapie, das Psychodrama usw. usf. Dies erklärt sich einerseits durch verwandte theoretische Konzepte, andererseits aber durch das Bestreben, die Anerkennung der Therapieformen durch die Krankenkassen zu erreichen.

Die einzige weitere Therapierichtung (also außer tiefenpsychologisch fundierter und psychoanalytischer), die von den Krankenkassen bis jetzt bezahlt wird, ist die Verhaltenstherapie. Sie beruht auf eigenen theoretischen Konzepten, der psychologischen  Lern- und Verhaltenstheorie. Sie vermeidet das Konzept des Unbewussten weitgehend, beachtet die Übertragung vor allem in der therapeutischen Situation weniger und erklärt die Entstehung psychischer Störungen durch falsches Lernen und Verstärkungsmechanismen. Vielfach wird in der Verhaltenstherapie mehr mit konkreten Anweisungen und festen Programmen gearbeitet. Stärken der Verhaltenstherapie sind z. B. die Behandlung von Phobien und in letzter Zeit von Zwangsstörungen. In den letzten Jahren sind die Unterschiede in der therapeutischen Praxis zwischen Verhaltenstherapeuten und Tiefenpsychologen geringer geworden. Eine integrierte Ausbildung von Psychotherapeuten mit Elementen beider Schulen erscheint nicht mehr so utopisch wie vordem.