Abhängigkeitserkrankungen – Allgemeine Hinweise zur Suchterkrankungen

Suchterkrankungen lassen sich in stoffgebundene und stoffungebundene Formen unterteilen. Zu den stoffgebundenen Suchterkrankungen zählen Alkoholabhängigkeit, Medikamentenabhängigkeit, Drogenabhängigkeit und Nikotinabhängigkeit. Formen der stoffungebundenen Suchterkrankungen sind z. B. Arbeitssucht, Internetsucht, Spielsucht und Essstörungen. Über die Einordnung von Essstörungen besteht nicht immer Einigkeit. Nach ICD 10 werden Essstörungen als Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren eingestuft. Nach meiner Auffassung sind Essstörungen wohl am ehesten als psychosomatische Erkrankungen mit Suchtcharakter einzustufen. Daher werden Sie auch hier aufgeführt.

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen, sind aber zum Teil auch auch stoffungebundene Suchtkrankheiten übertragbar.

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Der Gebrauch von Drogen im weitesten Sinne gehört zu unserem Alltag. Dazu gehören Genussmittel wie z. B. die Tasse Kaffee, das Glas Tee oder die Zigarette. Im Gegensatz zum Alkohol, einigen Medikamenten und den sogenannten illegalen Drogen wie Heroin, Kokain u. a. haben diese Genussmittel jedoch keine persönlichkeitsverändernden Wirkungen. Diese Aussage wird deutlich, wenn Sie sich einen Menschen vorstellen, der einen halben Liter Tee getrunken hat und einen Menschen, der einen halben Liter Schnaps getrunken hat. Werden durch den Konsum von Suchtmitteln deutlich sichtbare Veränderungen der psychischen und/oder physischen Reaktionen mir schädlichen Folgewirkungen verursacht, spricht man von Missbrauch. Wird aus dem Missbrauch ein zwanghaftes Bedürfnis und das Angewiesensein auf bestimmte Substanzen, spricht man von Sucht. Der Begriff „Sucht“ wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch den Begriff der „Abhängigkeit“ ersetzt. Es ist zu unterscheiden zwischen psychischer und physischer (körperlicher) Abhängigkeit. Bei der psychischen Abhängigkeit besteht das übermächtige und unwiderstehliche Verlangen, eine bestimmte Substanz wieder einzunehmen. Die körperliche Abhängigkeit ist durch Dosissteigerung und das Auftreten von Entzugserscheinungen gekennzeichnet. Tabelle 1: Definitionen von Abhängigkeit in Anlehnung an (Dilling und Reimer , 1994) und (DHS, 1991):

Begriff Definition
Missbrauch: Suchtmitteleinnahme, die zu körperlichen und psychosozialen Schäden führt. Es liegt noch keine Abhängigkeit vor.
psychische Abhängigkeit: Die Kennzeichen der psychischen Abhängigkeit sind das unwiderstehliche Verlangen nach der Einnahme eines Suchtmittels, der Kontrollverlust und die Zentrierung des Denkens und Handelns auf das Suchtmittel.
körperliche Abhängigkeit: Die Kennzeichen der physischen Abhängigkeit sind das Auftreten einer Toleranzerhöhung (Dosissteigerung) und das Auftreten von Entzugssymptomen bei Nichteinnahme des Suchtmittels.

Der Übergang von der psychischen zur physischen Abhängigkeit ist fließend. Wird die regelmäßige Suchtmittelzufuhr plötzlich unterbrochen (z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt), kommt es bei einer körperlichen Abhängigkeit zu typischen Entzugssymptomen wie Unruhe, Tremor, Übelkeit und Erbrechen. In schlimmen Fällen kann es auch zu schweren Krampfanfällen und schließlich zum Delirium tremens kommen, das sich neben Tremor und Übelkeit in Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krämpfen bis hin zum Koma äußern kann. Die WHO unterscheidet mehrere Typen der Abhängigkeit, die in Tabelle 2 zusammengefasst sind. Danach werden der sogenannte Morhin-/Opiat-Typ, der Kokain-Typ, der Cannabis-/Marihuana-Typ, der Amphetamin-Typ, der Barbiturat-/Alkohol-Typ und der Halluzinogen-Typ unterschieden. Daneben gibt es noch die sogenannte Schnüffelsucht, Tabaksucht und die bereits zuvor angesprochene Polytoxikomanie (Mehrfachabhängigkeit). In den Spalten 2, 3 und 4 von Tabelle 2 ist eine Einstufung der sich einstellenden psychischen und körperlichen Abhängigkeit und der Toleranzerhöhung bei regelmäßigem Missbrauch der entsprechenden Substanzen vorgenommen worden. Danach haben Morphine und Opiate das höchste Abhängigkeitspotential, gefolgt von Barbituraten und Alkohol.  Tabelle 1: Abhängigkeitstypen nach Definition der WHO

Stoff
psychische Abhängigkeit
physische Abhängigkeit
Toleranz
Morphin-/Opiat-Typ
+++
+++
+++
Kokain-Typ
+++
Cannabis-/Marihuana-Typ
(+)++
(+)
(+)
Amphetamin-Typ
++
(+)
++
Barbiturat-/Alkohol-Typ
+++
++(+)
++
Halluzinogen (LSD)-Typ
(+)++
(+)
++

 

Die Abhängigkeitstypen werden im Folgenden kurz beschrieben (Dilling/Reimer, 1994)

Typ Substanzen Auswirkungen
Morphin-/Opiat-Typ u. a. Opium, Morphium, Codein, Heroin, Methadon und einige Schmerzmittel
  • hohes Abhängigkeitspotential,
  • Entwicklung psychischer und physischer Abhängigkeit mit schneller Dosissteigerung,
  • Symptome kurz nach Einnahme: Stimulation, Euphorisierung, Reaktionsverlangsamung, Rückzug auf das innere Erleben, Abkapselung, Analgesie,
  • Wirkungen nach einigen Tagen: Gewöhnung mit Toleranzsteigerung und Abhängigkeit mit Intoxikation.
  • Kennzeichen chronischer Intoxikation: Blutdruckabfall, Müdigkeit, Miosis, Gewichtsverlust, Obstipation, Impotenz, Frösteln, Zittern, fahle Haut, Haarausfall, Ataxie, Stimmungslabilität, Leistungsabfall, soziale Depravation,
  • Dauer des Entzugs: 2 Wochen und länger je nach Schwere der Abhängigkeit,
  • Entzugssymptome: weite Pupillen (Mydriasis), Schwitzen Tränenfluss, Nasenlaufen, Unruhe, Zittern, Angstzustände, Gliederschmerzen, Muskelkrämpfe, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, Tachykardie, selten symptomatische Psychosen.
Kokain-Typ Kokain (auch als Crack oder Koks bezeichnet), Khat (kokainähnlich)
  • hohes Abhängigkeitspotential (psychische Abhängigkeit),
  • Entwicklung starker psychischer aber keiner körperlichen Abhängigkeit, keine Dosissteigerung,
  • Symptome nach Einnahme: maniforme Erregung, Euphorisierung oder ängstliche Verstimmung, Rededrang, sexuelle Enthemmung, anschließend Apathie, Depression,
  • Kennzeichen chronischer Intoxikation: Kokainpsychosen, Delir mit euphorisch/ängstlicher Verstimmung, Wahn, Halluzinationen, Wesensänderung, organisches Psychosyndrom, Impotenz, Verfolgungs- und Dermatozoenwahn, andere chronische Psychosen,
  • Dauer des Entzugs: Tage bis Wochen,
  • Entzugssymptome: Angstzustände, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Depressionen, Lethargie, Gereiztheit, Erbrechen, Durchfall, Herzklopfen und Atemnot.
Cannabis-/Marihuana-Typ Tetrahydrocannabinol (THC)
  • geringes Abhängigkeitspotential,
  • Entwicklung psychischer Abhängigkeit mit geringer Tendenz zur Dosissteigerung,
  • Symptome kurz nach Einnahme: gehobene Stimmung, Euphorisierung, albern, friedlich, Warnehmungsstörungen (intensivere Farbwahrnehmung, illusionäre Verkennungen),
  • Wirkungen nach einigen Tagen und Wochen: Wiederkehr der „Cannabiserlebnisse“,
  • Kennzeichen chronischer Intoxikation: paranoide Gedanken, optische Pseudohalluzinationen, Denkstörungen, Veränderungen der Realität, vegetative Störungen (u. a. Schwindel, Pupillenerweiterung, Tachykardie, Schwitzen, Übelkeit mit Erbrechen), Nachhallzustände (Echophänomene, Flashback),
  • Dauer des Entzugs: Tage bis Wochen,
  • Entzugssymptome: keine charakteristischen Symptome.
Amphetamin-Typ Weckamine, Amphetamine („speed“), Ecstasy
  • hohes Abhängigkeitspotential (psychische Abhängigkeit) mit Toleranzsteigerung,
  • Entwicklung psychischer Abhängigkeit, keine körperliche Abhängigkeit, Dosissteigerung,
  • Symptome kurz nach Einnahme: geringes Schlafbedürfnis, Anregung, Antriebssteigerung, Enthemmung,
  • Kennzeichen chronischer Intoxikation: akute paranoid-halluzinatorische Psychosen, Angst, Verfolgungswahn, haptische Halluzinationen, Schlafstörungen,
  • Dauer des Entzugs: Tage bis Wochen,
  • Entzugssymptome: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Verstimmung.
Barbiturat-/Alkohol-Typ Alkohol, Barbiturate, Tranquilizer (Benzodiazepine)
  • hohes Abhängigkeitspotential,
  • Entwicklung psychischer und physischer Abhängigkeit mit Dosissteigerung (Abhängigkeit von Benzodiazepinen ist nicht immer mit einer Dosissteigerung verbunden),
  • Symptome kurz nach Einnahme: Entspannung, Euphorisierung, Reaktionsverlangsamung, Angstminderung (siehe Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit),
  • Wirkungen nach einigen Tagen: Gewöhnung mit Toleranzsteigerung und Abhängigkeit mit Intoxikation,
  • Kennzeichen chronischer Intoxikation: siehe Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit,
  • Dauer des Entzugs: Wochen (Alkohol) bis Monate (Benzodiazepinabhängigkeit) je nach Schwere der Abhängigkeit,
  • Entzugssymptome: Unruhe, Tremor, Delir, Halluzinosen, Krampfanfälle (siehe Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit).
Halluzinogen (LSD)-Typ Lysergsäurediätylamid (LSD), Psylocybin, Meskalin
  • hohes Abhängigkeitspotential (psychische Abhängigkeit) mit Toleranzsteigerung,
  • Entwicklung starker psychischer Abhängigkeit, Dosissteigerung,
  • Symptome nach Einnahme: vegetative Symptome, illusionäre Verkennungen, Pseudohalluzinationen, Depersonalisation, Derealisation, Nachhallzustände,
  • Symptome im Horrortrip: Angst, Panik, Erregung, produktive psychotische Symptome, Realitätsverlust,
  • Kennzeichen chronischer Intoxikation: Delir mit euphorisch/ängstlicher Verstimmung, Wahn, Halluzinationen, andere chronische Psychosen.

 

Alkoholabhängige sind die größte Patientengruppe in den psychiatrischen Bezirks- und Landeskrankenhäusern. Auch in Allgemeinkrankenhäusern sind ca. 15 % der Patienten alkoholkrank. Durch die Folgen des Alkoholismus wie Produktionsausfall, Frühberentung und Behandlungskosten entsteht ein jährlicher Schaden in Höhe von mehreren Milliarden DM. Etwa die Hälfte aller Straftaten wird unter Alkoholeinfluss verübt, und jedes Jahr werden ca. 280 000 Führerscheine wegen der Überschreitung der zulässigen Promillegrenze eingezogen. Informationen und Hinweise zu verschiedenen Suchtkrankheiten finden Sie unter folgenden Links: