Benzodiazepinabhängigkeit, Teil 5

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Benzodiazepinabhängigkeit, Tablettensucht, Benzodiazepine

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  Wie kann man Medikamentenabhängigen helfen?

Arzneimittel sind dazu bestimmt, Krankheiten zu heilen und zu lindern. Es ist deshalb für Medikametenabhängige schwer einzusehen, dass die Einnahme der Medikamente selbst krankhaft sein soll, zumal sie ja i. d. R. vom Arzt verordnet werden. Medikamentenabhängige haben keine "Fahne" und fallen häufig erst nach jahrelangem Missbrauch z. B. durch Verletzungen infolge von Stürzen, Krankenhauseinweisungen nach Kreislaufzusammenbrüchen, Schläfrigkeit, Schwächeanfällen, schleppende Sprechweise, Bettlägerigkeit und/oder Vergesslichkeit auf. Auch dann werden diese deutlichen Auswirkungen der Sucht häufig noch als Zeichen oder Ausdruck einer somatischen Erkrankung gedeutet und bewertetet. Die Medikamentenabhängigen werden bemitleidet. Angehörige raten dann nicht selten zu dem Gebrauch noch stärkerer Medikamente oder zu einen Arztwechsel.

Insbesondere den von Benzodiazepinen abhängigen PatientInnen fehlt häufig eine suchtspezifische Krankheitseinsicht und ein Krankheitskonzept (Faust und Baumhauer, 1998). Sie erkennen oder wollen ihre Abhängigkeit in der Regel nicht erkennen und sind nur selten für eine Entzugsbehandlung motiviert. Ein Rückgang der Benzodiazepinwirkung und das Auftreten von Entzugssymptomen wird oft als eine Verschlechterung der zu der Medikamenteneinnahme führenden Symptomatik interpretiert. Viele ÄrztInnen und Betroffene wissen außerdem nicht um die Folgen einer langfristigen Benzodiazepineinnahme. Sie halten den Benzodiazepinkonsum nur dann für problematisch, wenn die Medikamente im Übermaß, d. h. ausserhalb der Verschreibung eingenommen werden. Medikamentenabhängige haben oftmals einen suchtbedingten Kontrollverlust, der jedoch über viele Jahre durch eine regelmäßige und konstante Verschreibung reguliert wird.

Aus den zuvor genannten Gründen ist die Frage nach der Hilfe für Medikamentenabhängige nur sehr schwer zu beantworten. Die Mehrzahl der Betroffenen ist eine lange Zeit ihrer Abhängigkeitsentwicklung (Medikamentensucht) für Hilfsangebote aus dem Umfeld nicht oder kaum zugänglich. Beim Ansprechen auf ihre Problematik reagieren Betroffene häufig aggressiv, d. h. sie werten das ihnen Gesagte als Vorwurf oder Angriff und versuchen diesen Vorwurf zurückzuweisen. Erst wenn die Nachteile der Sucht unübersehbar geworden sind und sich die psychischen und physischen Folgen der Sucht nachhaltig zeigen, besteht eine gute Aussicht, dass Betroffene Hilfe annehmen. Dies ist zugleich die Phase oder der Zeitpunkt, wo eine Therapie eine gute Prognose (Erfolgsaussicht) hat. Dieser Zeitpunkt ist für einige der Betroffenen auch der sogenannte persönliche Tiefpunkt, an dem ein Weg aus der Abhängigkeit möglich ist.

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung rate ich allen Angehörigen und Mitbetroffenen dringend, einen Arzt, Sucht- oder Psychotherapeuten (der sich in Suchtfragen auskennt), eine Suchtberatungsstelle oder zumindest eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen und dort das Problem anzusprechen. Es hilft dem Medikamentenabhängigen überhaupt nicht, wenn Sie seine Sucht verheimlichen oder verschweigen. Im Gegenteil, durch die Verheimlichung leisten Sie einen nicht unbedeutenden Beitrag, die Sucht Ihres Partners/Verwandten oder Bekannten zu verlängern. Dieser Hinweis gilt auch für die KollegInnnen am Arbeitsplatz. Es ist immer wieder festzustellen, dass Alkoholiker aber auch Medikamentenabhängige durch Arbeitskollegen aber auch durch Vorgesetzte "gedeckt" werden. Diese Kollegen und Vorgesetzten sollten sich darüber bewusst sein, dass sie durch ihr Verhalten einen Beitrag zur Verlängerung des Leidensweges des Betroffenen leisten.