Affektive Störungen

0

Depression: Affektive Störungen, Melancholie, Manie

Einführung

Unter dem Begriff “Affektive Störungen” (affektive Psychosen) werden die Erkrankungsformen der endogenen Depression und der Manie zusammengefasst. Unter Depression ist ein Gefühlszustand zu verstehen, der durch große Traurigkeit und Besorgnis gekennzeichnet ist. Der Betroffene fühlt sich wertlos, schuldig und zieht sich von anderen zurück. Weitere Anzeichen einer endogenen Depression sind Schlafstörungen, Mangel an Appetit und sexuellem Interesse sowie eine Antriebs- und Interesselosigkeit.

Unter Manie versteht man einen Zustand intensiver aber unbegründet gehobener Stimmung. Diese äußert sich in übersteigerter (oft sinnloser) Aktivität, Rededrang, sprunghaftem Denken, Ablenkbarkeit und unrealistischen Plänen. Relativ selten tritt Manie alleine auf, meist wechseln sich manische und depressive Phasen ab. Diese Erkrankung wird als bipolare affektive Störung bezeichnet.

Vorkommen

Die Wahrscheinlichkeit im Laufe eines Menschenlebens an einer affektiven Störung zu erkranken beträgt etwa 0,5 – 1,2 %. Davon erkranken etwa 60 % an der monopolar-depressiven Form, 35 % an der bipolaren und nur 5 % an der monopolar-manischen Form. Bipolare Störungen beginnen häufig in einem Alter von 20 – 30 Jahren, während reine Depressionen meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr beginnen. Frauen sind von Depressionen häufiger betroffen als Männer. An der bipolaren Störung erkranken Männer genauso häufig wie Frauen. Auffällig ist auch das hohe Selbstmordrisiko: etwa 10 – 15 % der an dieser schweren Form der Depression erkrankten Patienten sterben durch Selbsttötung.

Symptome

Die Symptome der endogenen Depression werden in Störungen der Affektivität, Störungen des Antriebs, Vitalstörungen, vegetative Symptome und Denkstörungen unterteilt.

Zu den Störungen der Affektivität zählen das Gefühl der inneren Leere (Gefühl der Gefühllosigkeit), Weinen, Gefühle von Sinn- und Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Pessimismus, Resignation (es wird nie besser), Insuffizienzgefühle, Selbstentwertung und Selbstaggressivität (Suizidgefahr) sowie schwere Schuldgefühle. Störungen des Antriebs sind Antriebshemmungen (Alltagsaktivitäten werden zum Problem, z. B. Arbeitsunfähigkeit), Initiativlosigkeit, depressiver Stupor (kaum Bewegung, kaum Reaktion) oder Antriebssteigerungen wie starke innere Unruhe oder motorisch geäußerte Unruhe, deutlich geäußerte Verzweiflung, stereotyp wiederholte Klagen. Bei den Vitalstörungen und vegetativen Symptomen werden ein Druckgefühl auf Brust- oder Bauchraum, Missempfindungen mit verschiedener Lokalisation, Appetitverlust bzw. -mangel (Gewichtsabnahme), Obstipation, Verlust von Libido und Potenz, Abgeschlagenheit und ständige Müdigkeit beobachtet. Die Denkstörungen werden in formale und inhaltliche Denkstörungen unterteilt. Formale Denkstörungen sind die Denkhemmung (Denken ist verlangsamt, auf wenige Inhaltereduziert), eine geringe Aufnahmefähigkeit von neuen Gedanken. Zu den inhaltlichen Denkstörungen zählen der depressive Wahn, Schuld- und Versündigungswahn, Verarmungswahn, hypochondrischer Wahn, nihilistischer Wahn sowie Zwangsgedanken (anankastische Depression)wie z. B. Tötungsimpulse gegen den Partner, die eigenen Kinderoder sich selbst. Während Störungen der Affektivität, Störungen des Antriebs, Vitalstörungen und vegetative Symptome auch bei reaktiven oder neurotischen Depressionen zu beobachten sind, sind Denkstörungen charakteristisch für die affektiven Störungen.

Bei den Symptomen der Manie werden ebenfalls Störungen der Affektivität, Störungen des Antriebs, Vitalstörungen, vegetative Symptome und Denkstörungen unterschieden. Zu den Störungen der Affektivität zählen gehobene Stimmung (Hochgefühl, beste Laune, grundlose Heiterkeit), Selbstüberschätzung (“grandioses Selbst”), Gereiztheit mit Aggressivität (gereizte Manie), Distanzlosigkeit und Kritiklosigkeit im Verhalten gegenüber anderen Personen und häufig gesteigerte Leistungsfähigkeit. Bei den Vitalstörungen und vegetative Symptome sind Schlafstörungen (Schlafdefizit), gesteigerte Libido/Potenz, manchmal Gewichtsabnahme (ohne Appetitverlust) zu nennen Zu den formalen Denkstörungen gehören Ideenflucht (Denken ist beschleunigt, häufig auch das Sprechen,Gedankenjagen, ständig neue Einfälle, leicht ablenkbar undsprunghaft) und ein gelockerter Zusammenhang zwischen Gedanken und sprachlichen Äußerungen. Bei den inhaltlichen Denkstörungen (Wahnformen) kommt der Größenwahn vor.

Dabei treten die Symptome nach Untersuchungen in folgender Häufigkeit auf:

Symptom                                        Häufigkeit

Insomnie (Schlafstörungen)                 100 %

Traurige Verstimmtheit                        100 %

Weinerlichkeit                                     94 %

schlechte Konzentration                       91 %

Selbstmordgedanken                            82 %

Müdigkeit                                            76 %

Reizbarkeit                                          76 %

psychomotorische Verlangsamung        76 %

Appetitmangel                                     66 %

Tagesschwankungen                            64 %

Hoffnungslosigkeit                                51 %

schlechtes Gedächtnis                         35 %

Wahnideen                                          33 %

Selbstmordversuche                             15 %

Akustische Halluzinationen                     6 %

In den folgenden Abbildungen sind die wichtigsten Symptome der Depression und der Manie noch einmal gegenübergestellt:

Bild 1: Symptome affektiver Störungen (Depression)

Bild 2: Symptome affektiver Störungen (Manie)

Formen

Bei den affektiven Psychosen sind unterschiedliche Verlaufsformen (monopolar, bipolar, monophasisch, polyphasisch) zu unterscheiden.

Verlauf

 

Ursachen  

Therapie

Für die Therapie der affektiven Störungen kommen verschiedene Therapieverfahren zur Anwendung. Häufig werden auch unterschiedliche Therapiemethoden wie z. B. eine medikamentöse Therapie und eine Psychotherapie miteinander kombiniert:

Medikamentöse Therapie:
Schwere Formen der Depression werden i. d. R. mit Medikamenten behandelt. Ziel der medikamentösen Behandlung ist eine Symptomverminderung. Nach einer Verbesserung des Krankheitsbildes können psychotherapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Bei depressiven Erkrankungen kommen Antidepressiva zur Anwendung, die je nach Medikamententyp, eine beruhigende, antriebssteigernde und/oder stimmungsaufhellende Wirkung haben. Antidepressiva wirken auf den Stoffwechsel im Gehirn.
Eine Übersicht der zu medikamentösen Behandlung eingesetzten Wirkstoffe gibt folgende Auflistung:

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), erhöhen die Wirkung von Serotonin im Gehirn,
  • Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (NARI), erhöhen die Wirkung von Noradrenalin im Gehirn,
  • Trizyklische Antidepressiva, erhöhen die Wirkung von Noradrenalin und Serotonin im Gehirn,
  • Monoamino-Oxidase (MAO)-Hemmer, verlangsamen den Umsatz von Noradrenalin und Serotonin im Gehirn,
  • Lithiumsalze zur Verhütung von Rückfällen.

Psychotherapie:

Kognitive Verhaltenstherapie:
Die kognitive Therapie geht davon aus, dass Gefühle und Handlungen eines Menschen auf seine Gedanken und Einstellungen zurückzuführen sind. Durch die kognitive Therapie soll der Patient seine fehlerhaften Gedankengänge erkennen, überprüfen und korrigieren. Die kognitive Therapie dauert in der Regel 12 Wochen und gilt als sehr erfolgreich.

Familientherapie:
Die Familie soll erkennen, wie sie dem Depressiven Familienmitglied helfen kann, seine unbewussten Konflikte zu lösen.

Psychodrama:
Durch die Psychodramatherapie sollen Konflikte und Problemsituationen mit Hilfe des Therapeuten und den anderen Gruppenteilnehmern in Handlungsszenen umgesetzt werden. Die Handlungsszenen werden anschließend im Gespräch nachbearbeitet.

Elektrokrampftherapie (EKT):
Bei der EKT wird ein künstlicher Krampfanfall durch einen kurzen Stromstoss ausgelöst. Dadurch kann bei vielen Patienten kann eine langandauernde depressive Phase unterbrochen werden.

Schlafentzug:
Bei der Schlafentzugstherapie bleibt der Patient eine Nacht und den darauffolgenden Tag wach, was ein abklingen der depressiven Symptomatik zur Folge haben kann.

Lichttherapie:
Die Lichttherapie wird bei Menschen mit saisonal bedingten Depressionen, den sogenannten Winterdepressionen, angewandt. Bei dieser Therapieform wird der Patient 1 Woche lang vormittags für 30 – 40 Minuten 2.500 – 10.000 Lux Licht ausgesetzt
.