Benzodiazepinabhängigkeit, Teil 7

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Medikamentensucht, Benzodiazepinabhängigkeit

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Folgen der Medikamentenabhängigkeit.

Die Folgen des Missbrauchs und der Abhängigkeit von Medikamenten sind wegen der pharmakologischen Charakteristika der zahlreichen Einzelsubstanzen und Kombinationen verschiedener Einzelsubstanzen (Kombinationspräparate), der Vielzahl der möglichen individuellen Reaktionen sowie der Reaktionen des sozialen Umfeldes sehr vielfältig. Zur Beurteilung der Folgen eines Medikamentenmissbrauchs ist daher eine Auseinandersetzung mit den besonderen Schädigungsmustern der Einzelsubstanzen unumgänglich. Die klinischen Bilder einer reinen Medikamentenabhängigkeit können nach Angaben der DHS (1991) erheblich von den aus der Drogenszene bekannten Zustandsbildern abweichen. Die Kennzeichen eines Benzodiazepinentzuges sind wohl am ehesten mit den Kennzeichen des Alkoholentzuges zu vergleichen, obwohl es auch hier charakteristische Unterschiede bzgl. der Symptome und vor allem der Dauer des Entzuges gibt.

Es wurde bereits zuvor darauf hingewiesen, dass Alkoholismus und Benzodiazepinabhängigkeit oft in einem engen Zusammenhang stehen. Nach Ausführungen der Ärzte-Zeitung ist Alkoholismus bei weitem der größte Risikofaktor für die Entstehung einer Benzodiazepinabhängigkeit. Nach Studienergebnissen sind mehr als 90 Prozent der untersuchten Bezodiazepinabhängigen außer von Benzodiazepinen noch von anderen Substanzen abhängig, in den meisten Fällen Alkohol. Dieser Hintergrund erschwert es zusätzlich, typische Folgen einer Benzodiazepinabhängigkeit anzugeben.

Obwohl die Folgen einer Bezodiazepinabhängigkeit wegen der relativ kurzen Zeit der Anwendung dieser Medikamente (seit Anfang der 60iger Jahre) noch nicht abschließend untersucht sind, soll wie bei Alkokolabhängigkeit der Versuch einer Einteilung in physische, psychische und psychosoziale Folgen vorgenommen werden.

Die Folgen einer Benzodiazepinabhängigkeit sind nach Angaben der DHS (2001) bei einem Gebrauch von Benzodiazepinen mit niedriger Dosierung relativ gering. Psychische Beeinträchtigungen und soziale Veränderungen bleiben häufig aus oder zeigen sich lange Zeit nicht. Dennoch kann es zu gesundheitlichen Schäden wie z. B. einer Schädigung der Nieren kommen.

Anders sieht es mit den Folgen bei einer Abhängigkeit von hohen Dosen aus. Hier unterscheiden sich die Folgen nicht wesentlich von denen anderer Suchtformen, auch wenn sie häufig abgeschwächter auftreten und nicht unmittelbar erkennbar sind. Neben einer verminderten Leistungsfähigkeit kommt zu einer Einschränkung der sozialen Interessen, der sexuellen Bedürfnisse und zu Beziehungsproblemen, die bis zu dem Verlust einer tragfähigen Partnerbindung führen können. Hinzu kommt, dass es bei einem Missbrauch der Medikamente zu Vergiftungen und nach dem Absetzen des Präparates zu heftigen Entzugserscheinungen kommt, die mehrere Tage bis Wochen anhalten.

Im körperlichen Bereich sind zunächst die Vergiftungen zu nennen. Bei Missbrauch und Abhängigkeit überlagern sich akute, intermittierend auftretende Vergiftungssymptome mit anhaltenden, chronischen Symptomen. Dabei sind nach DHS (1991) die folgenden Gesichtpunkte von Bedeutung:

  • Unbeabsichtigte Überdosierung bei einem Wechsel zu einem neuen Präparat, für das keine Kreuztoleranz besteht.
  • Additive und potenzierende Wirkung bei einer Kombination des bisher missbrauchten Medikamentes mit einem weiteren Arzneimittel und Alkohol oder anderen Drogen.
  • Wiederbeginn der Suchtstoffaufnahme mit gleicher Dosis nach einer Pause, die zu einem Verlust der Toleranz (z. B. nach einer Therapie oder einer längeren Abstinenz) führte.
  • Bekämpfung von Entzugssymptomen mit einem anderen Arzneimittel ohne Kreuztoleranz gegenüber der Ausgangssubstanz.

Beim Benzodiazepinentzug lassen sich drei Typen von Symptomen unterscheiden:

  • Reboundsymptome: z. B. Unruhe, Angst und Schlaflosigkeit, die nach wenigen Tagen wieder verschwinden.
  • Rückfallsymptome: Wiederauftreten der vor Beginn der Benzodiazepineinnahme vorhandenen Symptomatik wie z. B. das Auftreten bereits vor der Einnahme vorhandener Angstsymptome.
  • Echte Entzugssymptome: Symptome, die vor Beginn der Benzodiazepineinnahme nicht vorhandenen waren.

Zu den Entzugssymptomen zählen u. a. vermehrtes Schwitzen, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Alpträume, Tremor, Übelkeit und Erbrechen, erhöhte Irritierbarkeit, Schwindelgefühle, Tachykardie, Muskelverspannungen, Muskelzittern, mnestische Störungen, abdominelle Krämpfe, Affekt- und Antriebsstörungen, Depersonalisations- und Derealisationsphänomene, Reizüberempfindlichkeit, optische Wahrnehmungsverzerrungen, Dysästhesien, kinästhetische Störungen, Synästhesien, Entzugspsychosen (paranoid-halluzinatorische und ängstlich-depressive Syndrome, Delir) und Krampfanfälle.

Störungen der verschiedenen Sinnesmodalitäten sind typisch für den Benzodiazepinentzug. Die Stärke der Entzugssymptome ist abhängig vom Alter, von der Dosis und vor allem von der Dauer der Einnahme. Im Gegensatz zum Alkoholentzug, der in der Regel nach 14 Tagen beendet ist, dauert der Benzodiazepinentzug oft Wochen bis Monate. Befindlichkeitsstörungen finden sich auch noch nach Jahren der Abstinenz. Häufig zeigt sich das Bild eines klassischen Entzugsdelirs oder einer Entzugspsychose mit Krampfanfällen. Dabei ein Entzugsdelir, eine durch das Ausbleiben einer Substanz hervorgerufene Bewusstseinstrübung, die häufig verbunden ist mit Erregung, Sinnestäuschungen und Wahnideen und eine Entzugspsychose, eine durch das Ausbleiben einer Substanz hervorgerufene seelische Störung, die oft mit Angst und Horrorvorstellungen einhergeht.

Eine Medikamentensucht insbesondere eine Benzodiazepinsucht verläuft schleichend und ist abgesehen von den Problemen bei der Beschaffung der Medikamente, lange Zeit ohne spürbare Nachteile für die Betroffenen. Benzodiazepine beseitigen Angst und auch andere unangenehme Gefühle, und zwar effizient und ohne lästige Nebenwirkungen. Allerdings dämpfen Benzodiazepine auch positiven Gefühle wie z. B. Freude. Weniger spürbar für die Betroffenen sind die persönlichkeitsverändernden Wirkungen der Medikamentenabhängigkeit und eine Einebnung der äußeren und inneren Wahrnehmung (emotionales Erleben). Durch die Einnahme dieser Medikamente werden nicht nur Unlustgefühle wie z. B. Angst und Spannung vermindert, sondern auch als positiv erlebte Gefühle u. a. der Freude, des Glücks und der Unbeschwertheit abgeflacht und eingeebnet. Aus einem ursprünglich wellenförmig verlaufenden emotionalen Erleben, wird ein mehr oder weniger abgeflachtes Erleben, dass weder große Angst noch Freude zulässt.